Teresa Pereira
Teresa Pereira wurde 1963 in Portugal geboren und lebt heute in Zürich. Ihre Ausbildung umfasste die Architekturhochschule E.S.B.A.L, Lissabon (1981-1984) und die Kunsthochschule E.S.B.A.L, Lissabon (1985-1987). Von1991-1994 absolvierte sie die F+F Schule für Experimentelle Gestaltung in Zürich.
Ausstellung Teresa Pereira und Eva von Wartburg
Aufenthalt
02.01. - 24.03.2024
Teresa Pereira und Eva von Wartburg
Teresa Pereira und Eva von Wartburg Bedigliora, 16. 3. 2024
Teresa Pereira und Eva von Wartburg arbeiten seit vielen Jahren zusammen und haben sich gemeinsam für einen Aufenthalt in Bedigliora beworben. Beide leben in Zürich. Teresa Pereira wurde in Portugal geboren. Sie hat die Architekturhochschule und die Kunsthochschule in Lissabon besucht. In Zürich absolvierte sie die F+F Schule für Experimentelle Gestaltung. Eva von Wartburg absolvierte ebenfalls die F+F Schule Zürich mit einem Hauptstudio in Video und Neuen Medien. Von 1995 bis 2006 war sie dort Dozentin für Video. Sie ist Künstlerin und Filmemacherin. Die beiden stellen oft zusammen aus, gerade jetzt in der Gruppenausstellung «K. I. und wir» am Max Frisch Platz in Zürich Oerlikon.
Teresa Pereira nutzte den Aufenthalt für Experimente – so zeichnete sie erstmals mit Farbstift, und zwar mehrmals täglich den Ausblick aus dem Atelierfenster. Manchmal blieb sie genau bei dem, was sie sah, manchmal spielte auch die Wunschfantasie mit und sie liess zum Beispiel störende Telegrafendrähte aus. So entstand auf kleinformatigen Blättern eine reiche Serie mit über hundert Zeichnungen, eine vielfältige Variation des Gleichen, immer wieder anders, bald scharf gestochen, bald impressionistisch, je nach Lichteinfall, Wetter und Tageszeit.
Der Künstlerin geht es in ihrem seriellen Werk darum, nicht zu werten, nicht auszuwählen und zu verwerfen, sondern dabei zu bleiben, was da ist, und alles aufzunehmen, auch vermeintliche Fehler. Die Zeichnungen ergeben so ein Lebens- und Sehensmuster. Wie in einem Daumenkino gleitet der Blick von einer Zeichnung zur nächsten, die Landschaft beginnt zu wirbeln und tanzen.
Auf ihren Spaziergängen auf dem Monte Bedeia zeichnete sie vielfältig den Blick auf die Landschaft, auf den Monte Lema oder den Lago d’Astano. Es war oft zu kühl zum langen Verweilen, aber sie ist sowieso eine schnelle Zeichnerin. Rasch hält sie Wolken, die Farben des Sonnenuntergangs, den Wind in den Bäumen fest – die Landschaft, die sie täglich ansieht, wird manchmal zu abstrakten Schwüngen, Linien und Flächen. Sie zeichnet auch mit Tusche auf chinesisches Papier. In der Atelier-Nische, dem Santuario, wie sie sagt, steht ein Skizzenbuch und liegen farbige Postkarten für neugierige Besucherinnen bereit, anfassen und durchblättern ist erlaubt.
Schatten und Licht – eine Abfolge, die den Alltag im Atelier bestimmt. Mit Klebeband klebt die Künstlerin den Schattenwurf nach, der sich im Lauf der drei Monate natürlich mit der Sonnenposition ändert. Die Arbeit mit Klebeband begleitet sie seit langem, ihre Filme zeigen den Prozess: sie bemalt Bänder, klebt sie auf Boden und Wände, so entsteht eine farbige Abfolge, die sie mit Musik kombiniert. Ausgehend von der Leere, vom nackten Boden und den weissen Wänden, breiten sich explosionsartig Muster aus den Farbenbändern aus, verschwinden aber am Schluss ebenso schnell und komplett wieder im Nichts.
In Bedigliora wagt sie ein Experiment in drei Dimensionen aus Materialresten, die sie zusammenknüllt und arrangiert. Spontan, ohne Plan und Konzept, probiert sie aus mit dem, was sie zur Hand hat, was gerade da ist.
Zu Teresa Pereiras Arbeit gehört das Performative: mit Körpereinsatz zieht sie bemalte Rollen über den Tisch, dreht sie von einer Rolle ab und wickelt sie in die andere auf. Im Vorüberziehen wird die Zeichnung zum bewegten Bild. So werden ihre Zuschauerinnen nicht nur von Rhythmus, Formen und Farben bewegt, sondern tauchen ein in die Dimension der Zeit.
Eva von Wartburg arbeitet völlig anders, aber auch sie setzt sich stark mit dem neuen Umfeld in Bedigliora auseinander. Von Anfang an ist sie fasziniert von den Mauern, von den Passerellen und Steinbögen des Dorfs. Sie entdeckt Strukturen und Bilder im Stein und Verputz, wie ein Kind, das vor dem Einschlafen Gestalten auf der Wand sieht. Drei grosse Arbeiten «Muri» 1, 2 und 3, erstellt sie in Auseinandersetzung mit dem Thema Mauer. Ein Video entsteht für die rote Backsteinmauer der Ausstellung in Oerlikon, die ihr einiges Kopfzerbrechen bereitet. Sie trifft Gudrun im Dorf, die sich als die Weberin vorstellt. Davon inspiriert, beschliesst sie, mit Backsteinen zu weben. Zum Backsteingewebe aus Zettel und Schuss kombiniert sie eine rote Kamelie, die durch das Gitter bricht und sich entfaltet. Die Arbeit heisst «Kamelien; Backsteine weben, blühen». Ein weiterer Mauerfilm entsteht am Dorfeingang, als Element ist noch das Eisengeländer zu erkennen. Dazu fügt sie eine Surferin, die über das Geländer slidet und gerade noch vor der grossen Welle davonkommt, die heranrollt. Eva von Wartburg hat sie aus vier Wellen kombiniert, um ihre Intensität zu steigern. Wellen erodieren die Mauern mit ihren Strukturen im Stein – die Vision der Künstlerin verschiebt Bedigliora ans Meer. Die dritte Videoarbeit, «Piazzetta della Rosa», entsteht beim Hauseingang der Casa Atelier. Die Figur im Verputz löst sich aus der Mauer und tanzt davon, wischt über die Nebenfigur, die ausgeschnitten an einen Hasen erinnert, stakst über die Hausecke, passt sich nach ihrem Ausflug wieder ein und verschmilzt wieder mit der Mauer, als sei nichts gewesen.
Ohne Bildschirm, dafür direkt auf dem Papier erscheinen Mauernstücke auf den Abrieben, die Struktur und Rhythmus des Steins übertragen. Eva von Wartburgs Arbeit entsteht immer aus dem Ort und gleichzeitig passgenau für den Ort.
Die Künstlerin schlägt ihr Bett auf dem Arbeitstisch des oberen Ateliers auf und sieht vom Bett direkt in die Landschaft, die sie auch immer wieder filmt. Besonders gut gefällt ihr das Auf- und Abziehen des Nebels, das im beschleunigten Film wie ein Fluss aussieht, der durch Täler und Hügel zieht. In einem anderen Video zeichnet sich der Monte Rose vor der Himmelsbläue ab. Die Künstlerin befreit den Berg von den Telegrafendrähten, die sie kurzerhand auslöscht. «Freie Sicht» heisst diese Arbeit.
Teresa Pereiras Zeichenserien, Papierrollen und dreidimensionalen Installationen, Eva von Wartburgs Videoanimationen und Mauerabriebe lassen uns den Malcantone mit seinen Mauern und Landschaften mit anderen Augen sehen. Sie bestechen mit ihrer bald feinen, bald explosiven Mischung von Fantasie und Realität.
Ruth Gantert