Sylvia Vananderoye

Sylvia Vananderoye wurde 1953 in Hasselt, Belgien, geboren. Nach der Matura absolvierte sie ein Innenarchitekturstudium in Antwerpen. Ende der 1970er-Jahre kam sie in die Schweiz und lebt und arbeitet seit 2008 in Uettligen, wo sie ein Atelier für Cartoons, Illustration und Grafik betreibt. Bei ihren freien Arbeiten beschäftigt sich Vananderoye mit Malerei, Tiefdruckgrafik und Rauminstallation. In den 1980ern und 1990ern arbeitete sie während zwei mehrwöchigen Aufenthalten in Kanada an ihren Tiefdruckgrafiken. In den letzten Jahren liegt ihr Fokus aber ausschliesslich auf Malerei und Zeichnung. Seit 1986 hat sie ihre Werke in mehreren Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.

Ausstellung Vananderoye

Aufenthalt

06.01. - 30.03.2023

Obstakel und andere Landschaften

Sylvia Vananderoye arbeitete schon von Februar bis März 2012 und vom 10.2. 2018 bis am 9. 3. 2018, sowie vom 31.1.2021 bis 28.2.2021 im Atelier in Bedigliora.

Sylvia Vananderoye, Obstakel und andere Landschaften

Sylvia Vananderoye wurde in Hasselt in Belgien geboren. Nach der Matura absolvierte sie ein Innenarchitekturstudium in Antwerpen. Ende der 1970er-Jahre kam sie in die Schweiz und lebt und arbeitet seit 2008 in Uettligen bei Bern, wo sie ein Atelier für Cartoons, Illustration und Grafik betreibt. In freien Arbeiten beschäftigt sie sich mit Malerei, Tiefdruckgrafik und Rauminstallation. In den 1980ern und 1990ern arbeitete sie während zwei mehrwöchigen Aufenthalten in Kanada an ihren Tiefdruckgrafiken. In den letzten Jahren liegt ihr Fokus auf Malerei und Zeichnung.

Ihren Aufenthalt in Bedigliora begann Sylvia Vananderoye nach einem schwierigen Jahr mit gesundheitlichen, beruflichen und familiären Turbulenzen. Sie kam gerade aus Belgien zurück. In den ersten drei Wochen fühlte sie sich blockiert – daher stammt auch der Titel «Obstakel und andere Landschaften». Der Gedanke an die Ausstellung in drei Monaten beunruhigte sie – würde sie bis dann überhaupt etwas zu zeigen haben? Es gelang ihr nicht, absichtslos etwas entstehen zu lassen, ihrem Malprozess die Freiheit des Scheiterns zu geben. Immer wieder übermalte sie die Bilder. Diese Blockade stellte sie auf einem ersten Bild mit noch belgischer, flacher Landschaft in konkreter Form eines Steinblocks dar.

Der Winter in Bedigliora war meist trocken, mal neblig, mal sonnig. Die Künstlerin war fasziniert vom Licht, vor allem am frühen Morgen und beim Einnachten. Die zurückhaltende Landschaft des Winters gefiel ihr besonders gut. Sie malte ihre Eindrücke mit Acrylfarbe auf Holz, aufmerksam für Farben und Formen, aber auch für die spezielle Textur der Oberflächen. Die Hügel sind hier pelzig wie schlafende Tiere, sagt sie: Dieser Pelz ist auf den Bildern zu sehen und zu spüren. Im Himmel nehmen Farbbewegungen die geschwungenen Linien der Erde auf. Bei Nebel verschwimmen die Konturen, sind die Hügel nicht deutlich abgegrenzt, bei klarem Licht scheinen sie von innen heraus zu leuchten. Manche Bilder sind zweigeteilt, das Auge gleitet über das Hindernis des Spalts von einer Holzplatte zur nächsten. Der Blick überwindet eine Grenze innerhalb des Bildes und kann somit auch über den Bildrand hinausgleiten und das Bild ausweiten, sodass es etwas Unendliches, Unbegrenztes bekommt.

Sylvia Vananderoye malt auch innere Landschaften: Häuser, die zu schweben beginnen, Treppen, die zum Verborgenen, vielleicht zum Unbewussten führen, Tische, die durch den Raum treiben und deren Platten dabei bald von oben, bald von unten zu sehen sind, die zusammentreffen oder sich abstossen, die Beine krümmen und spreizen. Eine riesige orange Schale hat der Künstlerin in schwierigen Momenten Ruhe und Sicherheit gegeben, wenn sie sich eine Weile zum Bild setzte, das sie an die Wand gelehnt hatte.

Innere und äussere Landschaften sind untrennbar verbunden: Was die Künstlerin in den Hügeln und Bergen sieht, hängt von ihrer Stimmung, ihren Gefühlen und Gedanken ab, und die Landschaft, in der sie sich bewegt, beeinflusst wiederum ihre inneren Bilder.

Tiere spielen eine wichtige Rolle in Sylvia Vananderoyes Werk, sie schauen uns herausfordernd an wie der kleine Hund mit den grossen Ohren, sie blicken leer wie der Goldfisch oder erschrocken wie der kleine Fuchs. Wir identifizieren uns unmittelbar mit ihnen und können ihre Nöte, Ängste, ihre Stärke, ihren Trotz oder Schrecken miterleben. Manche scheinen mit etwas Unbestimmtem zu ringen. Hier ist wieder das Obstakel des Titels präsent, das lähmt und hemmt – aber ist da überhaupt etwas? Eine weisse Leere oder luftige Blasen deuten darauf hin, dass das Hindernis vielleicht eher in der Vorstellung oder im Unbestimmten bleibt.

Blockaden sind nicht immer selbst gemacht, Hemmnisse können auch in Konflikt mit anderen entstehen. Eine Frau versucht, mit ihrem Boot davonzulaufen, während ein Mann es mit den Beinen festhält. Gegensätze stossen aneinander, Reibungsflächen und Ungleichgewichte entstehen.

Bei Sylvia Vananderoye führen die Gegensätze zu einem zarten und doch kräftigen Gleichgewicht, so wie ihre grossen, massigen und doch feingliedrigen Tiere auf einer kleinen Schale balancieren: fragil und wuchtig, in sich gekehrt und ganz präsent in der Welt, bewegt und ruhig, flüchtig und bleibend. Auf ihrer Gratwanderung zwischen Finden und Erfinden, zwischen dem Ausloten der Leere und der Auseinandersetzung mit einer dichten Präsenz, kommt sie, trotz aller Obstakel, sicher an. Denn, wie die englische Rapperin und Autorin Kae Tempest sagt: «Kreativität ist wie eine Landkarte fürs Ankommen in der Gegenwart.»

 

Ruth Gantert, Bedigliora, 25. 3. 2023