Kathrin Frauenfelder

Kathrin Frauenfelder ist promovierte Kunsthistorikerin. Von 1993 – 1998 war sie freie Mitarbeiterin und Co-Kuratorin am Helmhaus, Zürich. Von 1998 – 2001 Kuratorin der Stiftung für Eisenplastik, Sammlung Dr. Hans Koenig, Zollikon. Von 2007 – 2011 Mitglied des Zentralvorstands Visarte Schweiz. 2009 war sie Gründungsmitglied der IGöKUS (heute Ehrenmitglied des Vereins der KuratorInnen von institutionellen Kunstsammlungen der Schweiz, KIK//CCI). Seit 2014 Präsidentin der Stiftung Righini-Fries, Zürich. Von 2002 – 2018 leitete sie die Kunstsammlung des Kantons Zürich, deren Geschichte sie in ihrer Dissertation In die Breite: Kunst für das Auge der Öffentlichkeit. Zur Geschichte der Kunstsammlung des Kantons Zürich vom Nationalstaat bis zur Globalisierung aufarbeitete. Sie ist Autorin der Publikation Kunstsammlung des Kantons Zürich. Mehr als nur der Schönheit verpflichtet und Verfasserin zahlreicher Texte zur zeitgenössischen Kunst. 2019 wurde ihr von der Stiftung Landys & Gyr das Budapest Stipendium für Kulturkritik zugesprochen.

Aufenthalt

01.04. - 20.06.2021

Sigismund Righini, Chiesa e Piazza Bedigliora, 1903 © Stiftung Righini-Fries, Zürich

Sigismund Righini: Künstler und eidg. Kunstexperte mit Wurzeln im Malcantone

Sigismund Righini (1870-1937) entstammt einer Künstlerfamilie, die ihre Wurzeln in Beride/Bedigliora hat. Das Familienhaus, in dem sein Vater Francesco Righini (1837-1914) geboren wurde, steht heute noch. Doch wie so viele im Baugeschäft und in der Dekorationsmalerei tätigen Menschen dieser Region, hat auch Francesco das Malcantone verlassen, um anderswo Arbeit zu finden und schliesslich in Zürich Fuss zu fassen.

Sigismund Righini: Familienhaus Righini in Beride/Bedigliora, um 1902, Öl auf Leinwand auf Karton, 49 x 35 cm, SR 279
© Stiftung Righini-Fries

Sein Sohn, Sigismund, wächst in Zürich auf und zeigt schon früh sein Talent als Maler. Er zählt heute zu den Wegbereitern der Schweizer Moderne und stellte zusammen mit seinen Zeitgenossen, Ferdinand Hodler, Giovanni Giacometti und Cuno Amiet, aus. Doch Sigismund Righini war vielseitig talentiert. Er engagierte sich schon als junger Maler stark in verschiedenen Künstlervereinigungen und in der GSMBA (heute Visarte) und setzte sich für die Förderung und Unterstützung von Schweizer Kunstschaffenden ein. Als brillanter Netzwerker avancierte er im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts zu einem der bedeutendsten Kunstpolitiker der Schweiz und war massgeblich beteiligt am Zustandekommen der von den Künstlern geforderten protektionistischen Massnahmen während der Weltkriege, als sie wirtschaftlich um ihre Existenz bangten.

Die vom Bundesrat verordneten Einfuhrbeschränkungen vom 15. Juli 1921 und am 23. April 1935 sollten verhindern, dass sogenannte «minderwertige Kunstware» in die Schweiz eingeführt wird. Für Kunstwerke, die für das Land eine kulturelle Bereicherung bedeuteten, sollten die Grenzen offenbleiben. Die restriktiven Massnahmen dienten dazu den Kunstmarkt zu kontrollieren und den Künstlern ein Minimum an Einkommen zu sichern. Wer also nach dem Erlass der Bundesratsbeschlüsse ein Kunstwerk in die Schweiz einführen wollte, musste ein Gesuch stellen. Zur administrativen Bearbeitung der Anträge wurde eine amtliche Überwachungsstelle eingerichtet. Um über die Qualität der Werke zu befinden ernannte der Bundesrat bei beiden Einfuhrbeschränkungen Sigismund Righini zum Hauptbegutachter. Über seinen Schreibtisch liefen fortan die Gesuche der Galeristen und Privatsammler und Righini hatte zu entscheiden, ob die Werke die erforderlichen Kriterien für die Einfuhr erfüllen oder ob sie zurückgewiesen werden.

Righini nahm seine Gutachtertätigkeit sehr ernst und dokumentierte sie in aufwändiger Kleinarbeit. Er notierte sich die Inhalte der Gesuche und fertigte überdies zahlreiche Skizzen der zur Einfuhr stehenden Werke an. Die Stiftung Righini-Fries (https://www.righini-fries.ch) ist im Besitz von über 214 Originaldokumenten, die diese Expertisen dokumentieren.

Während meines Aufenthaltes in Bedigliora habe ich mich einerseits auf die Spuren der Familiengeschichte begeben und habe andererseits begonnen, diese Gutachtertätigkeit zu analysieren und die skizzierten Werke zu identifizieren. Die Stiftung Righini-Fries plant, die aus den Dokumenten gewonnenen Informationen in einer Datenbank zu erfassen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Menge der behandelten Anfragen wird die Auswertung eine umfassende Datensammlung ergeben, die Mosaiksteine liefert zur Aufklärung ungelöster Fragen bezüglich der Provenienzforschung, des privaten Sammlertums sowie zum Schweizer Kunsthandel dieser Zeit.

 

Kathrin Frauenfelder
Dr. phil., Kunsthistorikerin
Präsidentin Stiftung Righini-Fries
https://www.righini-fries.ch