Dora Wespi

Die Bildermacherin Dora Wespi wurde 1946 in Reiden (LU) geboren. Sie absolvierte eine kaufmännische Lehre und arbeitete in ihrem Beruf, bis zur Zweitausbildung an der Schule für Gestaltung Luzern. Sie besuchte den Vorkurs und die Fachklasse für Grafik. Nach ihrem Abschluss folgte ein Studienaufenthalt in Paris. Seit 1975 ist sie freischaffend. 1981 erhielt sie einen Lehrauftrag an der Schule für Gestaltung Luzern, und von 1984-1987 unterrichtete sie an der Schule für Gestaltung Zürich. Von 1989 bis 1996 war sie Abteilungsleiterin Vorkurs der Schule für Gestaltung Luzern, danach Dozentin im Vorkurs und in der Fachklasse für Grafik BMS. 

Aufenthalt

05.01. - 31.03.2017

Eine Winterreise

Am Samstag, 25. März 2017 zeigt Dora Wespi Arbeiten, die in Bedigliora entstanden sind. 

Einführung zu Dora Wespis Aussellung «Eine Winterreise»

Dora Wespi wurde in Reiden im Kanton Luzern geboren. Sie machte eine kaufmännische Lehre und war in ihrem Beruf tätig, bis sie sich zu einer Zweitausbildung an der Schule für Gestaltung Luzern entschloss. Sie absolvierte den Vorkurs und die Fachklasse für Grafik. Nach ihrem Diplom zog es sie für einen Studienaufenthalt nach Paris. Seit 1975 arbeitet sie als freischaffende Grafikerin. Bald holte die Schule für Gestaltung Luzern ihre ehemalige Schülerin zurück, als Dozentin und als Studienbereichsleiterin. 2002 wurde sie zur Professorin der Fachhochschule Zentralschweiz ernannt. 2012 kehrte sie für einen Atelieraufenthalt in der Cité internationale des Arts nach Paris zurück. Ihr Werk ist in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen.

Dora Wespi kam zum Jahresanfang nach Bedigliora, es war sehr kalt. Die Künstlerin ging trotzdem täglich hinaus, in eine Welt mit wenig Farbe. So konnte sie auch nicht gleich farbige Aquarellbilder malen, sondern es entstanden Blätter mit schwarzer Chinatusche. Für die Formen inspirierte sie sich an gefundenen Kohlestücken und verdorrten Blumen, deren feine, poröse Strukturen, deren organisch-mineralischen Charakter sie malerisch umsetzte. In verschiedenen Konstellationen sind sie aufs Blatt geworfen, kühn und fein gezeichnet, stark und fragil zugleich erscheinen die dunklen und doch lichtdurchlässigen Gebilde.

Ihre Skizzenbücher, von denen sie immer eines dabei hat, füllten sich mit Beobachtungen und Motiven. Da sind die Häuser von Bedigliora, ausgehend vom Blick aus dem Fenster, mit ihren Kaminen, die sie für die Einladungskarte noch verdichtete und vermehrte.  

Farbe kommt doch noch dazu mit den typischen Winterpflanzen und -früchten des Tessins: die Stechpalmen mit ihren scharf gezackten, grünen Blättern und den runden roten Beeren, die pelzigen Kiwis mit ihrer perfekten ovalen Form. Für ihre Bilder befeuchtet die Künstlerin das Papier beidseitig, damit die Aquarellfarbe oder die Tusche fein ausfranst und keine harten Ränder bildet. Die Arbeit erfordert Schnelligkeit und Konzentration, die Künstlerin ist ganz dabei und trifft ständig Entscheidungen. Das Bild wächst unter ihren Händen, ohne vorgefassten Plan. «Wichtig ist, im richtigen Moment aufhören zu können», sagt Dora Wespi. Man darf ein Bild nicht zu früh verlassen, es aber auch nicht «totmalen».  

Ihr grösstes Bild, «Winterschnitt», ist eine über neun Meter lange Rolle, in fliessendem, energischem Pinselstrich bemalt mit fast keiner Farbe, wenig blau und grün. Die Künstlerin konnte jeweils nur den Ausschnitt sehen, an dem sie gerade arbeitete. Auch die braunen Farnkräuter beeindrucken mit ihrem Rhythmus, ihrer tänzerischen Grazie und ihrer Wucht. 

Dora Wespi ist eine Künstlerin der Serie, im grossen wie im kleinen Format. Das mehrmalige Aufnehmen eines Motivs erlaubt ihr, Konstellationen zu variieren, verschiedene Lösungen zu finden. So kann sie in einem nächsten Bild eine Entscheidung anders treffen, einen unterschiedlichen Weg einschlagen. Die einzelnen Bilder können für sich alleine stehen, treten aber auch in den Dialog miteinander und werden zu Elementen eines grösseren Ganzen. Neben den grossen Blättern malt die Künstlerin jeden Tag auch mindestens ein Bild im Postkartenformat. Sie arbeitet an einer Serie, in der eine Karte immer an die nächste anschliesst, wie ein Endlosbild oder ein immer weiterführendes Domino. Die Karten sammelt sie zu tausenden in Kartons.

In Bedigliora entstand aber nicht nur eine Kartensammlung, sondern auch eine Sammlung mit Objekten, die die Künstlerin auf ihren Spaziergängen rund um Bedigliora fand: Farnkräuter, Glyzinien, verschlungene Kiwi-Stauden, heruntergefallene Kamelienblüten. Bei der Papierablage sammelte sie Kartons, die sie zuschnitt und bemalte, oder, wenn sie ein schönes Firmenzeichen darauf fand, es zur Geltung kommen liess.   

«Bildermacherin» nennt sich Dora Wespi – ihre Bilder sind hier zu sehen, aber auch die «Macherin» tritt klar zutage mit ihrer Energie, ihrem wachen Blick, ihrer behutsamen und zähen Beharrlichkeit. Dora Wespi ist nach der Winterreise im Frühling angekommen und hat im Garten noch Erbsen gesetzt, die ihre Nachfolgerin ernten wird – auch dies ist typisch für die Künstlerin. 

Ruth Gantert