Renata Vonarburg

Renata Vonarburg wurde 1963 in Rain, Luzern geboren. Nach einer Erstausbildung zur Dekorationsgestalterin war sie mehrere Jahre in verschiedenen Bereichen als Dekorationsgestalterin tätig. 1993/94 besuchte sie den Vorkurs an der ZHDK und absolvierte anschliessend drei Semester Kunststudium an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign Zürich. 1997-2000 erfolgte das Hauptstudium an der Hochschule für Gestaltung und Kunst, Luzern. Sie schloss die Ausbildung als Designerin FH ab, Fachbereich Video. Berufserfahrungen konnte sie sich beim Videoediting tpc ag Zürich aneignen, mit diversen Videoinstallationen an der Expo 02 und verschiedenen Kurzfilmen in eigener Regie. Sie realisierte diverse Videodokumentationen für Performance und Theater wie auch Videoediting für Tonbildschauen für verschiedene Museen. Heute ist sie als Videoschaffende tätig im Bereich Kunst und Kultur. Seit 2004 arbeitet sie am Schauspielhaus Zürich für Videotechnik und Produktionen. Renata Vonarburg lebt seit 1990 in Zürich.

Fotos der Ausstellung (© Bruno & Eric Bührer)

Aufenthalt

01.07. - 30.09.2015

GESTALTEN

Renata Vonarburg, Priscilla 2015, Figur aus verschiedenen Materialien

Einführung zum offenen Atelier «GESTALTEN» von Renata Vonarburg

Nach Bedigliora kam Renata Vonarburg mit dem noch vagen Projekt, sich mit Mischgestalten, hybriden Wesen zu befassen. Sie näherte sich dem Thema mit Zeichnungen, in denen Mensch- und Tierkörper ineinander übergehen. Dann entstand eine erste dreidimensionale Figur, es ist der Kopf mit dem Steckenhaar, die sie «Nachtmahr» nannte. Träumt er – seine Augen sind geschlossen – oder ist er eine Figur aus unserem Traum, gar Albtraum? Sein mit Mehl weiss bestäubtes Gesicht erinnert ein wenig an afrikanische Urvölker.

Nach dieser liegenden Figur, die Igel, Schlange und Mensch in sich vereint, entstand eine ganz andere Gestalt, diesmal aufrecht auf zwei Beinen: die Vogelfrau Priscilla, die auch auf der Einladungskarte zu sehen ist, allerdings nur der obere Teil. Erstaunt entdecken wir die Beine aus Zweigen und Ton und das «Federkleid» aus Haselnusskätzchen. Den Schnabel bildet der Stil einer Pflanze. Ganz offensichtlich war Renata Vonarburg viel im Wald und fand dort alles Mögliche, das sie sammelte und im Atelier auslegte. In der nicht mehr natürlichen Umgebung, auf einer Unterlage veränderten sich die Dinge; sie sah ihre Fundstücke plötzlich neu und anders und liess sich von ihnen zu ungeahnten Kombinationen inspirieren.

Nach der Vogelfrau mit ihrem zusammengesetzten Körper drängte es die Künstlerin nach mehr Einfachheit. Es entstanden Tänzerinnen und Spinnenfiguren. Auffallend ist bei jeder Figur die Bewegung, das Wiegende, Tanzende auf den feinen und doch kräftigen Beinen, oder dem leichten und doch voluminösen Körper. Anmutig sind diese Wesen, anrührend und doch fremd.

Tatsächlich sind Renata Vonarburgs Tierwesen nicht solche, die uns traditionell nahe und vertraut sind, wie Hunde und Katzen, sondern eher solche, die bei den Menschen weniger beliebt sind, wie Insekten: Spinnen und Wespen tauchen in verschiedenen Formen auf, Käfer sind skizziert, in Ton modelliert, mit Graphit oder Kugelschreiber bemalt, oder sogar nur in Fragmenten da: Beine, Arme, Ohren und Augen. Auch hier experimentiert die Künstlerin mit ungewöhnlichen Materialien: Ein modelliertes Rehbein erhält seine raue, pelzige Textur, indem sie es mit Rohrzucker überzieht.

Insekten waren in diesem heissen Sommer sehr präsent um das Haus herum – und auch, nicht unbedingt erwünscht, im Haus. Renata Vonarburg erlebte einmal eine Käferinvasion. Es waren Grabkäfer, die sich von kleinen Tieren und Faltern nähren, und die sie nur mit gründlichem Staubsaugen vertreiben konnte.

Bei ihren Tier- und Menschgestalten interessiert sich die Künstlerin speziell für Metamorphosen: Sie zeichnet in ihrem Körper gefangene Wesen, die anfangen, sich zu bewegen und zu verändern, wie eine Raupe sich in einen Schmetterling verwandelt. Die Zeichnungen, aus ihren Skizzenbüchern kopiert und aufgefächert, ergeben eine Abfolge, in der eine Geschichte entsteht. Solche Abfolgen finden sich auch auf grösseren Blättern: Tierkörper fangen an, sich zu regen und strecken, Insekten werden zu Eidechsen, die sich plötzlich erheben und aufrecht gehen. Vögel bewegen erst zaghaft die Flügel und schwingen sich plötzlich zum Fenster hinaus.

Viele Bewegung ist auch zu sehen auf dem Video, mit dem Renata Vonarburg ihre Impressionen aus Bedigliora festhielt: Veränderungen des Lichtes, Blitz und Donner, eine Ranke im Wind, am Dorffest tanzende Menschen.

Die Verwandlung, der Tanz, Sturm oder Flug findet also ganz konkret, körperlich statt, oder auch innerlich, in Gedanken oder Träumen. Auf «Nachtmahr» antwortet die «Tagträumerin»: ein feines, schlafendes Mädchengesicht, aus dessen Mooshaaren ein wildes Gewirr aus Kiwi- und Glyzinienranken entspringt: So gerät die Welt in Bewegung, eine Bewegung, die Renata Vonarburgs Arbeiten charakterisiert: spielerisch, graziös, humorvoll – und rätselhaft bis unheimlich.

Ruth Gantert, Bedigliora, 26. 09. 2015