Inge Vavra

Inge Vavra wurde 1942 in Augsburg geboren und ist in Wien aufgewachsen. Sie lebt in Wien und in Krumpendorf (Kärnten). Seit ihrem Studium der Malerei und Grafik an der Akademie der bildenden Künste entwickelt sie konsequent ihr Werk als Künstlerin in verschiedenen Sparten: Zeichnen und Schreiben, Druckgrafik, Foto und Video, aber auch räumliche Arbeiten, Werke aus Metall, Kunst am Bau, Rauminstallationen und Aktionen. Inge Vavra kuratierte verschiedene Ausstellungen und unterrichtete Kunst. 2005 erhielt sie den Würdigungspreis des Landes Kärnten für Bildende Kunst.

 

Aufenthalt

27.03. - 22.05.2017

Die Künstlerin war bereits vom 14.8.2011 bis zum 25.9.2011 Gast in der Casa Atelier.

Ihre Ausstellung war am 24.9.2011 zu sehen. Sie trug den Titel 

SEHSCHNITTE

Inge Vavra, SEHSCHNITT 1, Bedigliora 2011

Einführung zur Ausstellung

Vielleicht haben einige von euch Inge Vavra schon einmal hier gesehen: tatsächlich hat sie schon von Januar bis März 2007 in der Casa Atelier Bedigliora gearbeitet. Vier Jahre später konnte sie nun nochmals sechs Wochen hier verbringen, und nach ihren Wintereindrücken auch noch Bedigliora in der heissen Sommerzeit erleben. Wie kam es dazu? – Eigentlich war das Atelier für ihre Wiener Kollegin Lore Heuermann reserviert, die Künstlerin hat aber ihren Aufenthalt aus verschiedenen Gründen zuerst auf sechs Wochen beschränkt, und dann schweren Herzens ganz abgesagt. Das Atelier sollte aber nicht sechs Wochen lang leer stehen, das wäre ja schade. Inge Vavra ergriff die Gelegenheit, als es ihr angeboten wurde, und entschied sich sofort dafür – so lebhaft war ihr der Aufenthalt im Gedächtnis, so wichtig war er für sie gewesen. Tatsächlich sagte sie vor viereinhalb Jahren, sie verlasse Bedigliora  «gestärkt und glücklich», und fügte vorausschauend hinzu «sicher nicht auf ganz». Jetzt ist sie also zurückgekehrt und hat nochmals intensiv hier gearbeitet; trotz der kurzen sechs Wochen mit eindrücklichem Resultat.

Inge Vavra lebt in Österreich: in Wien und in Krumpendorf (Kärnten). Sie studierte Malerei und Grafik an der Akademie der bildenden Künste, und entwickelt seither konsequent ihr Werk als Künstlerin in verschiedenen Sparten: Zeichnen und Schreiben, Druckgrafik, Foto und Video, aber auch räumliche Arbeiten: Werke aus Metall, Kunst am Bau, Rauminstallationen und Aktionen. Inge Vavra war auch Kuratorin verschiedener Ausstellungen und unterrichtete Kunst. 

Eines der Werke von Inge Vavra ist eine Zeit-Raum-Schiene, die aus Metall gegossen in abgestuften Farben der Decke des Geriatrischen Tageszentrums Klagenfurt entlang verläuft, bis sie schliesslich die Mauer durchstösst und im Freien endet. Ein anderes Beispiel: vor fünfzehn Jahren hat Inge Vavra während drei Wochen die Fassade eines Bankgebäudes von allem befreit, was sie an Werbung, Schriftzügen, Bildern etc. auf sich trug, bis das Gebäude nackt dastand. Auch dies mutet mich gerade jetzt wieder als äusserst prophetische Arbeit an...

Die Arbeiten von Inge Vavra sind konsequent durchdacht und mit extremer Sorgfalt sowohl fürs Ganze als auch fürs Detail  gestaltet. Der konkreten visuellen Präsenz entspricht immer auch ein geistiger Inhalt. Auf sinnliche Art gibt Inge Vavra philosophischen Betrachtungen Ausdruck: Gedanken zum Menschen (wie in der Zeit-Raum-Schiene: Wer sind wir, wie verläuft unser Leben, was kommt danach?) und auch sozialpolitische Aussagen (die Bank, die ganz ohne Kleider dasteht wie der Kaiser im Märchen...). Inge Vavras Werke lassen uns unser eigenes Leben und das Zusammenleben mit den andern, Aspekte der Geschichte und Politik neu sehen, machen nachdenklich, blitzen aber auch humorvoll und ironisch auf.

Schnittstellen – der Titel, den sie ihrer Werkschau hier gegeben hat, enthält diese verschiedenen Facetten: einerseits die konkret visuelle: wir sehen, wie zwei Flächen aufeinandertreffen, wie zwei verschiedene Techniken, Arten der Darstellung, im gleichen Werk aneinanderstossen. In der Informatik ist die Schnittstelle der Ort der Datenübertragung von einem Computer zum anderen. Andrerseits hat die Schnittstelle auch eine übertragene Bedeutung: an der Schnittstelle treffen sich zwei verschiedene Arten des Seins, es findet ein Austausch statt von einem zum andern: Wird es ein Übergang, muss man sich entscheiden, bleibt die Grenze in beide Richtungen durchlässig?  Sich an der Schnittstelle aufzuhalten ist interessant, aber auch gefährlich: man kann es sich nicht einfach in einer Sichtweise bequem machen, sondern muss die Spannungen zwischen verschiedenen Arten des Sehens und des Denkens aushalten. Es gibt nicht ein einheitliches (Welt-)bild, sondern verschiedene, die gleichzeitig ihre Gültigkeit besitzen.

Ausgehend von der Natur trifft da zum Beispiel eine Bergansicht – der Monte Rosa, der von der Casa Atelier aus bei klarem Wetter zu sehen ist – auf ein Computerdiagramm: es handelt sich um eine visuelle Umsetzung der Art, wie unser Gehirn die Farben zerlegt. In einer anderen Arbeit sehen wir einen Waldausschnitt von Bedigliora – und die digitale Darstellung der Geräuschkulisse im Wald. Die beiden so unterschiedlichen Erscheinungsbilder haben also durchaus etwas miteinander zu tun: sie beziehen sich auf denselben, ganz unverwechselbaren Ort.  Der Wald und der Berg finden sich in der traditionell als Kunst angesehenen Zeichnung wie auch im normalerweise der Wissenschaft zugerechneten Computerdiagramm. Auf dem Blatt Papier treten beide in einen Dialog zueinander. Zwei menschliche Ausdrucksformen, die in unserer Gesellschaft so behandelt werden, als würden sie einander ausschliessen, treffen aufeinander, formen zusammen ein Ganzes. Automatisch wandert der Blick von einem Feld zum anderen, stellen wir Bezüge her, finden wir Entsprechungen: das Diagramm erscheint ja auch als ein Gebirge, in der Zeichnung wird der räumliche Berg zu Flächen und Linien. Statt im vorgeformten Bild- und Denkschema sind wir ganz konkret und auch geistig in einer neuen Sichtweise – eben an der Schnittstelle.

Ruth Gantert, 24. 9. 2011

Inge Vavra hielt sich bereits von Januar bis März 2007 in der Casa Atelier auf. Sie erforschte mit Fotos und Zeichnungen die Umgebung des Ateliers, von den verschneiten Rebbergen bis zum Monte Rosa, den sie jeden Morgen fotografierte. Am 17. März zeigte sie Zeichnungen, Fotos und Fotokopien zum Thema «Sichtweiten».

Inge Vavra, Bedigliora 2007