Annros Steinmann

Annros Steinmann lebt in Basel und im Toggenburg
1970 bis 1974 Ausbildung Lehramt für Bildnerische Gestaltung an der SFG Basel
1974 - 2011 unterrichtend im Teilpensum am Gymnasium Leonhard Basel
1990 -     mehrere längere Aufenthalte in Japan, freiberuflich künstlerische Arbeit
2011 -     seit der Pensionierung vermehrt kunstschaffend
1991 -     diverse Ausstellungen

Aufenthalt

01.10. - 31.12.2012

allein + gemeinsam

Annros Steinmann, «ganzallein». Eitempera und Kohle auf Papier

Annros Steinmann: allein + gemeinsam                   Bedigliora, 8.12.2012

Annros Steinmann ist in Basel geboren und aufgewachsen. Gleich nach der Matura besuchte sie die Kunstgewebeschule und bildete sich zur Zeichen- und Werklehrerin aus. So kam es, dass sie bereits vier Jahre später an der Schule unterrichtete, die sie selbst besucht hatte. Sie blieb dort über dreissig Jahre und liess sich dann pensionieren. Ihr Engagement für schulische und für gesellschaftspolitische Fragen zeigte sich auch in der Gestaltung von Schultheater, Maskentheater und Plakaten. So schuf sie zum Beispiel die Titelseite der Zeitschrift Emanzipation in Basel.

Dazu verfolgte sie immer auch ihre künstlerische Arbeit, in enger Verbindung mit ihrer Leidenschaft für das Handwerk. Wichtig waren verschiedene Aufenthalte in Japan, wohin sie mit dreissig Jahren zum ersten Mal reiste. Sie erlernte dort u. a. das Handwerk des Papierschöpfens.

Annros Steinmanns Arbeiten waren bisher in verschiedenen Einzel- und Kollektivausstellungen zu sehen.

Ruth Gantert, Fondazione Casa Atelier Bedigliora

Zusammenarbeit – Zusammenspiel

Nachdem also vor gut einem Jahr mein Rentnerleben begonnen hatte – ich zog mehrheitlich in mein altes Toggenburger Haus – besuchte mich ein ehemaliger Kollege mit seiner kleinen Tochter, einer Seilspringerin.

„Ich kann im Fall bis hundert!“ meinte sie keck. Wir haben dies gefilmt. Kurz vor „Vierzig!“ setzte sie sich auf den Boden.

Eigentlich hatte ich im Sinn, mich mit Videotechnik zu befassen. Stattdessen begann ich, mein neues Sujet, die Seilspringerin, in meine Bilder einzufügen, als Variation eines alten Themas. „Bänder, Windungen und Bindungen“ hiess eine Ausstellung meiner Arbeiten im Frühling 2009. Der Lauf der Zeit, die Spur, das Band, auch als Spruchband spielt darin eine Rolle. Gewebe, Texturen werden zu Sinnbildern.

Statt mich auf neue Medien zu konzentrieren und einmal mehr zukunftsorientiert weiterzubilden besann ich mich auf das, was droht, in unserer Zeit verloren zu gehen:

Ich habe mich diesen Sommer mit dem Stickerhandwerk auseinandergesetzt, weil ich in einem alten Sticklokal arbeite.

In der Ostschweiz gibt es heute nur noch ganz wenige Leute, die an einer Handstickmaschine arbeiten, wie sie früher in meinem Atelier stand. Ich durfte mit Bernhard Hollenstein ein Projekt realisieren, bei dem ich mit meinen Ideen und Entwürfen „auf Händen getragen“ wurde.

Hier in Bedigliora ging es mir darum, dieses Projekt endgültig zu realisieren, zu zeigen und in meine gestalterische Arbeit einzubetten; Zusammenarbeit eben, auch mit verschiedenen Bildelementen, Räumen und Zwischenräumen, auch als „Accrochagen“ vor der Wand, die verwandelt werden kann. Die einzelnen Teile ergeben zusammen etwas Neues.

Neben der Stickerei, zwei bis drei Wochen dauernder intensiver aber auch lustvoller Zusammenarbeit hängen Tuschezeichnungen, die alle – fünf Blätter – an einem einzigen sonnigen Morgen entstanden sind. Sie zeigen den Verlauf der Schlagschatten in diesem Zimmer. Die Herstellung des Papiers jedoch hat mich vor drei Jahrzehnten mehrere Wochen gekostet.

Das Licht, vergängliche Dauer und stete Bewegung füllt dieses Haus wie ein Gefäss für Zeit und Raum. Es ist schade, die wohltuende Leere zu füllen, und wenn, dann ist das Wie? ausschlaggebend.

Gefässe und Leere wurden zum Thema. „Weglassen“ war ein Motto, „Weg lassen“ ein anderes, das ich mir immer wieder zugestanden habe, Umwege inbegriffen.

Meine Techniken haben oft mit Zeit und Aufwand zu tun. Ich mische Pigmente mit Pflanzenharzen, -Ölen und Ei. Ich habe in Japan Papier hergestellt, und ich mache Holzschnitte, Techniken, die bis ins Mittelalter zurückgehen.

Ich arbeite aber auch mit der Digitalkamera, mit Photoshop und dem Overheadprojektor.

Relationen und Gegensätze:

1 Springerin: zirka 1500 /1600 Stiche

1 Rapport à 5 Motive: zirka 7800 Stiche plus Endlos-Kordel: 500/600 Stiche

1 Arbeitsstunde ergibt zirka 100 Stiche

Der Grundlohn eines Handmaschinenstickers betrug 1978 Fr. 8.- pro Stunde, ein Frauenlohn, unentberliche Kinderarbeit war gratis darin enthalten.

So kam es zu hundert Sprüngen an einem sonnigen Morgen und zu Konfitürengläsern, gefüllt an drei Abenden mit gewachsenem und gereiftem Inhalt.

 

Annros Steinmann

 

Kunst: 
Medium, durch das Botschaften übermittelt werden
macht weder glücklich noch unglücklich
weckt Geist und Sinne

Annros Steinmann